Kupplung abziehen - tiefe Demut

  • Nach Demontage der Kupplungsglocke lief mir bei meinem SPI das Öl auf die Füße. Ein klares Zeichen für einen defekten Wellendichtring.


    Halb so schlimm, sagte ich mir. Du mußt ja eh ans Getriebe.


    In Ermangelung eines passenden Abziehers mußte ich mir selbst einen bauen.
    20er Flachmaterial besorgt. M20x1,5 Gewinde zum Abdrücken geschnitten und drei Bohrungen für die Halteschrauben gesetzt.
    Druckpilz gedreht.


    Mit einem großen 30er Schlüssel für die 10.9 Abdrückschraube ging ich ans Werk und rechnete nicht mit größeren Schwierigkeiten.


    Nach den ersten Fehlversuchen war mir klar, daß meine paar Monate Erfahrung mit britischer Präzisionstechnik noch nicht für ausreichende Demut gesorgt hatten, obwohl ich inzwischen schon einiges erlebt hatte.


    Konuspreßverbindungen habe ich eigentlich immer gehaßt. Ganz gleich, ob es ums Abpressen einer Mopedlichtmaschine ging oder um das Lösen einer Kardanwelle an einer BMW, es war nie einfach und machte nie Spaß.


    Meinem Druckluftschrauber, der final bisher jeden Konus öffnete, ging es nicht anders. Außer dicken Backen brachte er am Mini nichts zustande.


    Also noch mal nachbessern.


    Für das jetzt wieder per Hebel aufzubringende Drehmoment mußte die Abdrückvorrichtung besser abgestützt werden.
    Dazu die Halteplatte mit einem 1 Meter langem Hebel versehen und den 30er Stahlwilleschlüssel mit einem aufgesetzten 500 mm langem Rohr verlängert.
    Selbst dicke Backen gemacht. Ergebnis - nichts, außer dicken Backen.


    Ok, guckst Du mal ins Forum.


    Da wurde mir schnell klar, daß ich nicht der einziger Versager auf der Welt bin.


    Tipps, gab es in Hülle und Fülle. Schläge hier und Schläge da. Prellschläge auf verschiedene Stellen. Auf die Abrückschraube oder die Abdrückvorrichtung.
    Wenn all das nicht hilft, muß man sich eben in Demut üben. Zum Beispiel durch geduldiges Warten.


    Manche warteten anscheinend ja eine ganze Woche, bis sich der Preßsitz unter Spannung wie von selbst löste.


    Alles ausprobiert.


    Den 500 Gramm Hammer habe ich nach den ersten Versuchen schnell als Spielzeug entlarvt und meinen 2 kg Fäustel herangezogen. Ohne Ergebnis natürlich.


    Da war es schon später Abend. Die richtige Zeit, daß mit der Demut mal auszuprobieren.
    Heute morgen ganz früh in die Werkstatt, um die sich von selbst gelöste Kupplung endlich zu inspezieren und zu reinigen.


    Pustekuchen, der Konus klammerte sich weiter auf der Kurbelwelle fest.
    Ne ganze Woche Demut ist nichts für mich, beschloß ich und verbesserte nochmals die Vorrichtung.


    Druckpilz mit einer reibungsmindernden Bronzedruckscheibe versehen und alles mit noch mehr Molykote eingeschmiert. Das Drehmoment sollte schließlich möglichst viel Axialkraft erzeugen.


    Schraube angezogen, gehämmert, geprellt, gebetet. Wieder nichts.


    300 Nm Drehmomentschlüssel hervorgekramt. Mal Schauen, welches Moment ich eigentlich schon aufbringe.


    260 Nm - nichts.
    280 Nm - nichts.
    300 Nm - nichts.


    Da war ich kurz vor Flex.


    Die letzte Chance sollte ein Erwärmen des Konusbereichs bringen.
    Das große Heißluftgebläse angeschlossen und den Kunusbereich so gut wie möglich erwärmt. Bis 140 Grad kam ich hoch, doch der Konus bewegte sich immer noch nicht.


    Wieder geprellt und gebetet - nichts.


    Drehmomentschlüssel nochmals angesetzt.


    Die Schraube ließ sich jetzt etwas weiter drehen und wirkte plötzlich irgendwie weich. Nach einer viertel Umdrehung flog die Kupplung mit lautem Knall von der Welle.


    Glücklicherweise hatte ich die Kupplung gegen Wegfliegen mit einem Gurt gesichert.


    Ich glaube, sie hätte den Mini der Länge nach durchschossen.


    Schaun wir mal, was der morgige Tag an schönen Dingen bringt.

  • selten so gelacht, cool ;)


    Das gleiche Problem erwarte ich, wenn ich dereinst das Schwungrad wieder von diesem von mir selbst versauten Wellenstumpf lösen muss. Seit Mai 2010 läuft das Auto mit dieser Welle, der Konussitz funktioniert. Aber ich glaube, abziehen wird wenig vergnüglich....also werd ich es wohl auch mit Demut versuchen müssen. Hoffen wir mal, dass die zweite Kupplung genauso lange hält wie die erste (40 Jahre).


    OlliMK

  • :D


    Demut muss man üben. Ich hab meine Kupplung beim ersten mal angeschrien, hat nicht geholfen. Kompressortuning und ein ordentlicher Schlagschrauber helfen in solchen Situationen enorm weiter.


    Glückwunsch zur gelungenen Operation.


  • Konuspreßverbindungen habe ich eigentlich immer gehaßt.


    Geilomat, die Geschichte. :D:D


    Und dann bau mal ein Lenkrad ab, das mindestens 14 Jahre auf der Nabe saß (nicht beim Mini). Und drück :scream: und fluch :mad: und klemm die Knie hinter den Kranz :scream: und fluch :scream: *schwitz*...nach 20 Minuten kommt unvermutet Oma um die Ecke und fragt "Jung, was machst' denn da?"
    Man ist ja erzogen und dreht den Kopf zum Gesprächspartner: "Ich baue gerade..." und in dem Moment löst sich das S******ding und - knallt Dir voll mitsamt Metallspeichen und Nabe ins Gesicht.:eek: :scream:


    Da bleib mal höflich... :rolleyes:



    Lösende Momente sind doch oft die schönsten.:)

  • Sehr schöner Bericht! :thumpsup:


    Ich glaube es hat jeder so seine eigenen Erfahrungen mit dem Abziehen gemacht :)


    Bei mir hat der 10kg Hammer das Alugehäuse um ein Stück erleichtert bis dann der geliehene extra stabile Abzieher + Druckluftschrauber endlich Erlösung brachte.

    brumm brumm


    Wer Teile aus einem Bluestar hat, die nicht mehr in einem Bluestar sind, die er abgeben möchte - bitte melden.

  • Jau, Kupplung abziehen ist immer spannend :D


    und in dem Moment löst sich das S******ding und - knallt Dir voll mitsamt Metallspeichen und Nabe ins Gesicht.:eek: :scream:


    Deswegen ist es auch Pflicht, sich beim Lenkrad abziehen 'n Kissen um's Gesicht zu binden! :eastgrin:


    Gruß,
    Jan

  • So, jetzt habe ich die Kupplung herausgenommen und bin auf Spurensuche gegangen. Wo kam das Öl her. Nicht einfach, wenn es sich im unteren Gehäusebereich ziemlich verteilt hat.


    Daß die Kupplung an drei Stellen im Deckel gestreift hatte, will ich jetzt nicht weiter thematisieren. Da kann ich ja nacharbeiten.


    Es sieht zumindest so aus, als ob der Dichtring (rot) nicht die einzige Ursache war. Dort war relativ wenig Öl zu finden.


    Am feuchtesten war die eingegossene Vertiefung für den unteren Paßstift.
    Beim Lösen der 5/16" Verschraubungen zeigte sich, daß sie eigentlich kein Restmoment mehr hatten. Unter ihnen hat sich die Dichtung und das reichlich verwendete, schwarze Dichtmittel stark gesetzt. Bei den unsinnigerweise extrem breiten Dichtflanschen kommt dann natürlich keine Flächenpressung mehr zustande.


    Aber so war es eben vor 60 Jahren, als die Austin Motorenleute den Motor entwarfen. Zu breite Dichtflansche sind ja bis heute noch nicht ausgestorben.
    Das erklärt aber noch nicht alle meine offenen Punkte.


    - Wie wird eigentlich das über die Kupplung mit der Kurbelwelle verbundene Antriebszahnrad gegen Ölaustritt abgedichtet?


    Ich erkenne in dem Rad zwei Bronzebüchse, sehe aber keinen Dichtring nach außen.


    Der innere Kupplungsnabenbereich ist nämlich feucht.


    Da wurde doch wieder meine Neugierde geweckt und ich schate mir die Kupplungsnabe mal genauer an.


    Heiliger Issigonis!!!


    Da war es wieder, das echt englische Engineering-Highlight.


    Dort fand ich nämlich eingedrehte Ölauffangnuten, mit schräg verlaufenden Bohrungen durch die Nabe hindurch nach außen.


    Heissa, der Engländer kannte also seine selbstversaute Schwachstelle im Dichtsystem und sagte sich:

    "Ok, da hab ich eine Dichtung vergessen. Damit das zwangsläufig austretende Öl nicht die Reibscheibe versaut, fang ich es eben auf und leite es an der Reibscheibe vorbei. Gorgeous, I am a real genius."


    Grandiose Lösung für ihn, aber leider nicht für die 5.387.862 Eigner dieses Geniestreichs, zu denen ich ja inzwischen auch gehöre.


    Als Lösung könnte ich mir eine kleine, natürlich mechanisch angetriebene Ölabsaugpumpe vorstellen, die das rausspritzende Öl (mit Reibbelagresten) im Kupplungsraum absaugt und in einen speziellen, doppelwandigen Altölauffangbehälter (mit TÜV Dichtheitszertifikat) leitet, der so alle 500 Meilen auf der Schadstoffdeponie geleert und fachgerecht entsorgt oder recycelt werden muß. Da die Ölpumpe dreckigen Schlamm transportiert, ist natürlich auch bei ihr mit einem gewissen Verschleiß zu rechnen.
    Aus diesem Grunde ist alle 6000 Meilen eine Ölpumpenerneuerung fällig. Bei dieser Gelegenheit sollte selbstverständlich auch der Antrieb mit erneuert werden.


    Das wäre doch mal wieder eine richtige Mini-Lösung. Gut für die Besitzer, Händler, Monteure und Teilehersteller.


    Und ich könnte mich auch freuen. Einmal darüber, daß ich andere reich gemacht habe und daß ich selbst wieder am Mini basteln darf und nicht meine, inzwischen ziemlich gezählten, Tage mit blödsinnigem Benzinabfackeln verbringe.


    Ich wußte es. Auch dieser Tag wird mich der erforderlichen Demut näher bringen.

  • Geil ist auch, die Kugelbolzen der Achsschenkel mittels Gerät auszudrücken...


    Wer da grad den Kopp im Radkasten hat, wenn der Knall dann doch plötzlich kommt...


    Inno-Uwe

    LOUD PIPES SAVE LIVES !!!


    ---> fehlende Leistung wird durch den WAHNSINN des Fahrers ergänzt !!!


  • Moin!


    Eine funktionierende, aktive Kurbelgehäuseentlüftung vorrausgesetzt, dürfte tatsächlich so gut wie kein Öl durch das Primärrad kommen. Da muss auch nicht zwangsweise viel Öl hin, wenn die Kupplung eingekuppelt ist, dreht sich da nichts ineinander, muss also nicht zwangsweise stark geschmiert werden. Ich denke auch nicht, dass da Unmengen an Öl hineinfinden. Ich habe die Buchsen im Primärrad mit Molykote geschmiert - das war 10.000km später noch immer dort...


    Auf gut badisch: basst scho!


    innouwe: deswegen lässt man bei Gelenken die abgedrückt werden müssen stets die Mutter drauf. 1-2mm Spiel reichen, um die Konuspassung zu lösen. So ist aber garantiert, dass es keine Toten gibt - und im Falle einer Weiterverwendung passiert dem Gewinde auch nichts :)


    Gruß,
    Jan

  • Grundsätzlich hast Du natürlich recht, viel Öl ist dort nicht erforderlich.


    Ob die Kurbelgehäuseentlüftung stets für Unterdruck sorgt, weiß ich nicht.


    Bei mir kam Öl heraus, aber nicht so viel, daß sich die Pfütze damit erklären ließ.


    Ich habe den Primärkastendeckel mal auf eine Tuschierplatte gelegt und mit Bayerisch Blau tuschiert. Es lagen nur drei Stellen auf. Die größte Delle betrug 0,25 mm (Fühlerlehre).


    Mit einem Haarlineal habe ich dann noch die Flucht Getriebegehäuse/Motorblock kontrolliert. Auf der einen Seite ganz gut. Auf der anderen stand der Kopf ca. 0,2 mm vor.


    Dann vermutete ich, daß einige Befestigungsschraublöcher vielleicht in den Ölraum hineinragen. Das war aber nicht der Fall.


    Die Dichtringlauffläche am Primärrad ist tadellos. Keine Dellen, keine Rille.


    So weit ich es jetzt beurteilen kann, dürfte die Rangfolge der Ursachen für die Ölundichtigkeiten an dieser Stelle folgendermaßen aussehen:


    - Zu geringe Schraubenrestspannkraft am Deckel
    - Deckelunebenheit plus Absatz zu Zylinderkopf
    - Wellendichtring rot (Dichtkante leicht flachgeschliffen)
    - Ölauswurf Primärrad


    Welchen Dichtring soll man denn nun für das Primärrad nehmen?
    Dazu gibt es im Forum unterschiedliche Aussagen.

  • Achtung,!


    ist kein Erfinderschrott beim Primärrad, sondern eine Verbesserung!
    Denn die ganz frühen Minis hatten dort in der Schwungscheibe einen zweiten Wellendichtring.




    denke das dein Problem tatsächlich vom Wellendichtring kommt, denn das wird durch die Fliegkräfte sehr schön verteilt, den rest macht die Schwerkraft


    und nicht immer zu genau denken, denn das englische funktioniert auch so


    was ist das eigentlich für ein Loch (5Löcher) auf deinem ersten Bild?
    Oder es kommt daher?

    Gruß Peter


    a fool with a tool is still a fool


    PS schraube und fahre seit 85 Minitechnik

  • Grundsätzlich ist dieser Bereich relativ unkritisch und soviele verölte Kupplungen treten nicht auf.


    Wichtig wäre zu prüfen, ob das Öl durch das Primärrad innen ausgetreten ist, denn dort gehört es nicht hin.
    Schauen, ob die kleinen Bohrungen des Primärrades frei sind.
    Die äußere Buchse müßte verraten, ob dort Öl durchging.


    Wenn allerdings diesen Mini zuvor jemand fuhr, der an der Ampel oder anderswo permanent auf der Kupplung stand, dann ist das Höchststrafe für dieses Arbeitsprinzip und damit das Primärrad. Wäre ein hausgemachtes Problem.
    Leider stehen zuviele viel zu lange auf der Kupplung, statt den Gang herauszunehmen.


    Kurbelgehäuseentlüftung ist in der Tat ein sehr wesentlicher Faktor !
    Ist der Druck zu hoch und trifft auf vorgeschädigte Komponenten, dann ist das Problem da.


    Ein nicht angezogener Deckel ist ohne Frage ein gut möglicher Quell des Problemes.


    Die Lösung wird wohl nur eine systematische Bearbeitung aller möglichen potentiellen Fehlerquellen, wenn der Punkt nicht eingekekreist werden kann.


    Andreas Hohls

    Alle Beiträge verstehen sich als rein sachliche Aussage und tolerieren Meinungen und Vorlieben eines Jeden, auch wenn sie konträr entgegenstünden.

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