Also hier muß man erstmal was voraus schicken. Das folgende Stück ist von Uli Keuler, einem Kabarrettisten aus Tübingen.
Wer die Chance hat, ihn live zu erleben, sollte sich das nicht entgehen lassen. Nähere Infos bei http://www.uli-keuler.de
Gruß
Andreas
Ein Heimatdichter
Interviewer:
Herr Schäfer, Eberhard Schäfer ist der Erfahrenste, der Bekannteste, der brillanteste, ja, ich glaube,
man darf es ruhig sagen: Er ist auch der einzige Heimatdichter unserer Stadt. Seine Gedichte atmen
tiefe Erkenntnis, hinter der sich häufig ein wahrer Kern verbirgt. Stellvertretend sei nur eines der
vielen zitiert,die "Ode an den Wald":
Ode an den Wald
"Oh Buchen, Tannen, Fichten,
Oh Eichen, Föhren, Espen
Oh Kiefern, Lärchen, Eiben
Oh Wald, o Wald, oh du Wald, du."
Herr Schäfer, wie wird man eigentlich Heimatdichter?
Schäfer:
Ja, also, ich habe zunächst ganz klein angefangen. Ich habe zunächst nur einzelne Bäume besungen.
Dann kleinere Waldlichtungen.
So zwei bis drei Hektar. Oder gelegentlich einen Kilometer Feldweg. Ja, und so wurde ich
allmählich reif für Gösseres.
Im vorigen Jahr beispielsweise, da habe ich in einem einzigen Gedicht, ich glaube, es war ein
Vierzeiler, über neun Quadratkilometer nächtlichen Mischwald besungen.
Interviewer:
Herr Schäfer, Sie sind doch Profi. Wie sind Sie dazu gekommen?
Schäfer:
Ich habe das Geschäft seinerzeit von meinem Vater übernommen. Mein Vater war ja eigentlich ein
Asphaltpoet. Hat also meistnur bis zum Ortsschild gedichtet. Später kam dann in seinen Texten
auch einmal ein Stück Bauerwartungsland vor. Aber seine wohl reifste Leistung, die vollbrachte er
im Jahr 1952. Und zwar ließ er da im freien Feld einen Pfahl aufstellen, und den hat er dann auf
eine Distanz von, ich glaube, 350 Metern angedichtet und voll getroffen. Außerdem hat er also auch
ganz hervorragende Nachdichtungen geschrieben. Beispielsweise "Die Glocke":
"Festgemauert in der Erden
Steht die Form, aus Lehm gebrannt.
Heute soll die Glocke werden.
Frisch, Gesellen, seid zur Hand."
Ich glaube, genauer kann man Schiller nicht nachdichten.
Interviewer:
Ja, aber auch Sie, Herr Schäfer, sind ja nicht nur ein Spezialist für Naturlyrik.Obwohl man hier in
der Stadt jene herrlichen Verse liebt:
"Die dümmste Sau im ganzen Wald,
das ist der Förster Willibald."
Einen Grossteil Ihres dichterischen Schaffens haben Sie ja der Fussball-mannschaft des hiesigen
TVU gewidmet. Selten ist es einem Poeten gelungen, die inneren Empfindungen eines Menschen
am Rande eines Spielfeldes so exakt zu schildern, wie Sie es tun in Ihrer bezaubernden lyrischen
Skizze "Der verträumte Schiedsrichter"
"Hier lieg ich auf dem Frühlingshügel.
Da kommt ein Ball vom linken Flügel.
Der Kuckuck ruft, die Fingen schlagen.
Ein Stürmer wird vom Platz getragen."
Meisterhaft, wie Sie einmal den Ball ins Aus spielen und die Spieler 14 Seiten langdanach suchen
lassen. Wie Sie versuchen, den einzelnen Leser aktiv ins Gesamtgeschehen miteinzubeziehen im
Kapitel "Wir bauen ein Eigentor - Zum Ausschneiden und Zusammenkleben". Aber noch eine
Frage zum Schluss, Herr Schäfer. haben Sie eigentlich keine Angst, dass Ihnen hier an diesem
verhältnismäßig kleinen Ort nicht irgendwann einmal die Arbeit oder die Ideen ausgehen?
Schäfer:
Nun ja, sehen Sie, Arbeit gibt es genügend. ich beschäftige mich ja auch noch mit theoretischen
Problemen der gehobenen Literatur. Ich darf da nur an die von mirentwickelte Kurzformel für das
antike Drama erinnern: Hybris, Katharsis, Aus is...Und was das Künstlerische anbetrifft - sehen
Sie, es gibt noch so viele Gegenstände, die noch nicht besungen sind. Es gibt
Gedankenkombinationen, die außer mir noch kein Mensch zu denken gewagt hat. Wenn Sie wissen
wollen, was ich meine, dann lesen Sie einmal mein Epos "Kommando Bimberle - Ein Leberkäs im
Fahrstuhl zur Ewigkeit.
Interviewer:
Was mich bei Ihren Büchern immer wieder erstaunt. Sie beginnen alle erst auf Seite 289.
Schäfer:
Nun ja, hier zeigt sich eben der reife Dichter. Wo andere schon aufhören, da fängt Eberhard
Schäfer erst richtig an.